Späte Schneeschmelze

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In diesem Frühjahr ist in den Alpen noch viel Schnee gefallen, der Schnee blieb lange liegen.
Am 26. Mai 2023 besuchte ich die Gemeinde Riederalp im Wallis und war neugierig zu sehen, wie sich die Heuschrecken phänologisch entwickelt haben.
Bereits beim Dorfausgang Richtung Rieder Furka auf 1940m entdeckte ich zu meiner Überraschung neben dem Weg entlang eines felsigen Bordes mindestens sechs N1 von Oedipoda germanica (Bild 1), daneben sah ich mindestens 20 ausgewachsene Individuen der Eingedrückten Dornschrecke (Tetrix depressa); sie überwintern als Imagines. Mehrere Männchen belagerten ein Weibchen bei der Eiablage (Bild 2).
Auf 2000m sah ich v.a. zahlreiche N1 und N2 des Warzenbeissers (Decticus verrucivorus), je höher ich stieg, desto häufiger wurden anteilsmässig die N1 (Bild 3).
Viel seltener waren die N1 der Grossen Höckerschrecke (Arcyptera fusca) (Bild 4). Zu meiner grossen Freude fand ich auch noch zwei Nymphen der Kurzflügeligen Beissschrecke (Metrioptera brachyptera) im alpinen Rasen (Bild 5)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in diesem Jahr von den meisten Arten, die im Ei die kalte Jahreszeit überdauern, in einer Höhe von über 1900 m Ende Mai erst die N1 auftreten, eine Ausnahme macht Decticus verrucivorus. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren beträgt die Verzögerung mindestens zwei Wochen.


Dieter Thommen
Bild 1 Bild 1
Bild 2 Bild 2
Bild 3 Bild 3
Bild 4 Bild 4
Bild 5 Bild 5
Zuletzt geändert von Dieter Thommen am 30. Mai 2023 00:14, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Späte Schneeschmelze

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Lieber Dieter,

danke für diesen sehr informativen Einblick Deiner Exkursion! Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel früher bei Euch die Nymphen, trotz Schnee, erwachen (habe gerade auch noch mal Deinen und Florin Rutschmanns Beitrag vom letzten Jahr gelesen). Auch bei uns (Südosten Sachsen-Anhalt) sind in diesem Jahr fast alle Arten gute 2 Wochen später dran. Während bspw. O. caerulescens und C. italicus im letzten Jahr bereits ab 1. Mai in großen Massen zu sichten waren (70 bis 120 ü. NN), starteten sie in diesem Jahr erst richtig um den 20. Mai herum (vereinzelte N1 auch früher). Auch bei den Caelifera waren die meisten zu dieser Zeit schon in N3 und N4 (Ch. apricarius sang schon am 30.5.!), und sind heurig bisher nur vereinzelt in N3. Relativ konstant hingegen, sogar zeitiger, sind die Leptophyes-Arten (erste N1 L. albovittata am 26.4., L. punctatissima gewohnt Mitte Mai) und T. viridissima und D. verrucivorus. Die Erstsichtungen unterscheiden sich zeitlich nur marginal zu denen im letzten Jahr, aber gut 3 bis 4 Wochen später als bei Euch. Es bleibt also weiter spannend.

Beste Grüße
Angela