Stenobothrus-Arten

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Hallo liebes Forum,

ich bin gerade auf Euch gestoßen und vielleicht könnt Ihr mir weiterhelfen. Seit letztes Jahr August bin ich begeisterte Heuschrecken-Guckerin:-) Inzwischen kenne ich auch fast alle Arten, die mein Umland so beherbergt. In diesem Jahr war ich also ganz gespannt auf die Larven. Dank Dieter Thommens wunderbar hilfreichem Buch sind mir jetzt auch die Kinderstuben alle bekannt. Außer, jetzt der Casus Knacksus, die Stenobothrus-Arten. Ich zerbreche mir den Kopf und komme nicht weiter. S. lineatus war mir bekannt, die anderen beiden, selteneren, nicht. In der Larval-Phase entdeckte ich Larven, die ich, lt. Buch, zu S. stigma oder S. nigro verorte. Hier, wo ich wohne, bin ich jedoch fast an der nördlichen Arealgrenze beider Arten und kann nicht so recht glauben, dass S. stigma oder S. nigro so flächenübergreifend zu finden ist. Ich fand auf vielen Flächen Larven wie unten angehängt. Mit jedem neuen Fund wuchs der Zweifel, dass sie hier so gehäuft (und bis jetzt unbemerkt) rumhüpfen sollen. Lt. Dieter Thommens Buch sind zweifarbige dorsale Flügelanlagen ein Merkmal für S. stigma u/o S. nigro. Ist dies evtl. kein hartes Merkmal? Können also auch (sehr) gehäuft S. lineatus-Larven in dieser Flügelfarbenvariante auftreten? Gibt es noch andere Merkmale (auf die ich nicht geachtet habe), die mir die eine oder andere Art bestätigen oder ausschließen? Schwarz-weißes Diagonalband Innenseite Hinterschenkel usw. - alles da, und doch bin ich ratlos. Fragen über Fragen.:-)

Ich hänge ein paar Larven an, es sind bei weitem mehr über etliche Flächen gewesen...

Merci & ratlose Grüße
Angela

P.S. Leider hatte ich in der Imaginal-Phase wenig Gelegenheit, auf diesen Flächen nachzusehen. Im September fand ich dann weder S. stigma noch S. nigro bei der Nachsuche auf zwei Flächen. Und da ich sehr ungeduldig bin und nicht bis nächstes Jahr warten kann, hoffe ich auf Euch. :-)


Edit: Ich bin zwischen südwestlichem Brandenburg und südöstlichem Sachsen-Anhalt auf der Pirsch; Landkreis Wittenberg und angrenzende.
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Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Angela und willkommen hier im Forum - toll auch, wenn Du seit letzten August startend inzwischen fast alle Arten erkennst, großartige Leistung!
Du sprichst hier ein Thema an, welches mir auch ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet und ich mit Dieter auch schon kurz "andiskutiert" habe. Ich habe eine ähnliche Vermutung, dass es da eine gewisse, nennen wir sie "Unschärfe" bei den Stenobothrus-Nymphen geben kann, und zwar mit den von Dir erwähnten Argumenten. Wir haben da in Österreich auch ein paar Fälle (in einem anderen Forum), wo ich lt. dem Buch auf St. nigromaculatus kommen würde, auch Dieter hat mir die bestätigt, aber - dort gibt es bislang (noch) keine, auch der Fundort "Streuobstwiese" passt mir da nicht ganz hin. Ich habe auf jeden Fall den Melder schon für nächstes Jahr angesetzt, dort genauer zu schauen. @Dieter: woher stammten eigentlich all Deine Stenobothrus-Nymphen, welche Du untersucht hast? Evtl. doch ein "lokales" Problem (wenngleich Du mir ja bei den fraglichen österr. Tieren auch bzgl. dem Verhältnis Flügelanlange:Pronotum geschreiben hast, dass dies auf nigro hindeuten würde!). Auf jeden Fall ein spannendes Thema und natürlich muss man viele Fragen einfach von mehreren Seiten (in dem Fall auch Erfahrungen, Fundorten, etc.) beleuchten.

So warten wir auf die nächste Saison, ob es Lösungen dazu gibt.

LG

Werner
LG

Werner

Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Werner,

erst einmal danke für Dein herzliches Willkommen!

Ich bin jetzt erst einmal teilberuhigt, dass auch andernorts Zweifel bzw. Fragen aufkommen. Da ich noch nicht lange in der Materie stecke und auch sicher nicht sämtliches wissenschaftliches Material dazu lesen werden kann, sind meine Überlegungen stark an meine bisherigen Beobachtungen gebunden. Eine Überlegung ist, dass es vielleicht am kontinentalen Klima hier liegt? Dass vielleicht - ähnlich wie sich in verregneten Sommern auch mehr grüne Morphen von Arten entwickeln - hier die klimatischen Bedingungen eine Rolle in der Färbung der Flügel spielen?
Ich hatte mir, weil es mir keine Ruhe lässt, dann alle fotografierten S. lineatus-Tiere nochmal angesehen. Zwar habe ich sie noch nicht statistisch erfasst, kann aber schon sagen, dass von meinen Sichtungen mind. 50 Prozent auch keinen einheitlich grünen Halsschild-Seitenlappen hatten. Das wäre also dann (hier) ein eher weicheres Merkmal. Oder anders herum: Grüne Seitenlappen - sicher S. lineatus, nicht einheitlich grüne Seitenlappen - möglich S. lineatus. Genauso verhält es sich mit dem schwarz-weißen Diagonalband. Alle von mir fotografierten singenden Tiere hatten auch ein schwarz-weißes Diagonalband. Bei anderen Fotos konnte ich es nicht erkennen. Das schwarz-weiße Diagonalband dürfte dann also auch eher ein weiches Merkmal sein?! Deshalb treibt mich die Frage um, ob es sich möglicherweise auch mit den Flügelanlagen so verhält. Was Deine Streuobstwiese angeht: Auf 20 Flächen waren auch zwei, drei "Streuobstwiesen", die mir als Habitat eher ungeeignet vorkamen. Aber da bin ich zu unwissenschaftlich und in Flora zu laienhaft. Das mache ich eher an der Heuschreckengemeinschaft und den einzelnen Bedürfnissen, wie ich sie bisher beobachten konnte, aus.

Tja, wie es aussieht, warten wir also auf nächstes Jahr, Werner. Ich bin gespannt, was in Österreich herauskommt!

Schönen Abend!

Angela
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Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Angela, hallo Werner

Leider habe ich eure Beiträge erst heute entdeckt, deshalb meine späte Antwort.

Es ist klar, Aussagen oder Beschreibungen beruhen auf Beobachtungen; diese sind räumlich und zeitlich begrenzt. Meine Beobachtungen von Stenobothrus lineatus fanden vor allem im Jura, insbesondere in der Nordwestschweiz, aber auch im Berner Oberland, im Wallis und im Engadin in unterschiedlichen Höhenlagen statt. Die Bilder stammen aus den Jahren 2015 bis 2020.
Neue Beobachtungen aus Deutschland (SW Brandenburg und SE Sachsen-Anhalt) und Oesterreich widersprechen nun meinen Beschreibungen.
Zwei Beschreibungen von Stenobothrus lineatus Nymphen stehen im Zentrum der Diskussion:
- Färbung der dorsalen Flügelanlagen: bis zur Veröffentlichung meines Buches waren mir nur einfarbige dorsale Flügelanlagen bei St. lineatus bekannt. In diesem und letztem Jahr konnte ich aber an zwei verschiedenen Orten (Jura und Wallis) auch zweifarbige dorsale Flügelanlagen bei Nymphen beobachten. Dies entspricht den Beobachtungen in Deutschland und Oesterreich.

- Färbung der Halsschildseitenplatten: Bisher sind mir bei grünen Nymphen von St. lineatus nur Tiere mit einheitlicher Färbung der Seitenplatten aufgetreten. Braune Nymphen, die im Engadin, Puschlav und Tessin beobachtet wurden, hatten in der unteren und hinteren Hälfte der Seitenplatte ein weisses Band, das schwarz gesäumt war. Diese Zeichnung hat Ähnlichkeiten mit derjenigen der grünen Individuen aus Deutschland. Interessanterweise fand ich bei der Suche in meiner Bildersammlung auch ein ausgewachsenes Weibchen von St. lineatus mit schwarz-weisser Zeichnung…
Nach meiner Ansicht handelt es sich bei den beobachteten Nymphen aus Deutschland eindeutig um Stenobothrus lineatus (Begründung: Form der Flügelanlagen, Halsschildlänge in Relation zur Kopflänge).

Offenbar gibt es regionale (nationale..) Unterschiede in der Zeichnung des Halsschildes bei Stenobothrus lineatus. Ich danke euch beiden für die interessanten Diskussionsbeiträge.
Mit besten Grüssen
Dieter
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Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Dieter!

Danke, ich habe gehofft, dass Du noch "vorbeischaust" und diesen interessanten Fall kommentierst! Nachdem ich ja, wie Du weisst, seit Jahren auch vermehrt in diese Richtung beobachte (Schwerpunkt aber Ensifera) kenne ich die Problematik der Regionalität (Beispiel R. roeselii - da finde ich im Netz oft Nymphen, welche z. T. doch andere Merkmale, Färbungen etc. zeigen als "unsere" in meiner Umgebung). Aber solche Fälle müssen wir fokusieren, damit Du bei einer Neuauflage mehr Vergleichsmaterial zur Verfügung hast :P !
Bzgl. der österr. Fälle habe ich die betreffenden Personen schon darauf angesetzt, dort nächstes Jahr noch genauer zu schauen, ob da nigromaculatus wirklich nicht vorkommt (dem Habitat "Streuobstwiese" nach glaube ich ehrlich gesagt eh nicht daran!)

LG

Werner
LG

Werner

Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Dieter, hallo Werner!

Erst einmal Glückwunsch zu diesem tollen Buch, Dieter, ohne das ich sicher bei meinem ersten Larven (Nymphen) dieses Jahr verzweifelt wäre!:)
Und vielen Dank für Deine ausführliche und sehr informative Antwort, die meine Zweifel zumindest für die abgelichteten Larven verstärken und aus den Weg räumen. Ich werde im nächsten Jahr ganz sicher die Flächen gezielt nach den Stenobothrus-Arten absuchen, weiß aber schon jetzt, dass auf allen S. lineatus auf jeden Fall vorkommt. Interessant finde ich, dass es da lokal solche Unterschiede gibt. Auch wenn ich noch nicht durch die Fülle meiner Fotos durch bin, so sehe ich bereits (und hatte schon das Gefühl), dass hier nicht einheitlich grün gefärbte Seitenlappen signifikant vorherrschend sind (zumindest bei den von mir gesichteten und abgelichteten Tieren).

Zu Deiner Begründung, Dieter: Die Form der Flügelanlagen kann ich (noch) nicht sicher abschätzen, da ich weder S. stigmaticus noch S. nigromaculatus bisher sah, weder ausgewachsen noch (wahrscheinlich?) als Larve. Auch nach tausenden Fotos kam ich da in diesem Jahr nicht weiter und zu mehr Sicherheit, da eben der Vergleich fehlt. Interessant ist Deine zweite Begründung bzgl. der Relation Halsschild-/Kopfschildlänge. Kann man das ausmessen? Man bekommt dafür sicher ein Gefühl über die Jahre. Doch das fehlt mir (noch) und erst recht, da eben die beiden selteneren S.-Arten hier bisher nicht gesichtet worden sind. Kann ich das noch an anderen Dingen fest(er) machen? Ein sehr spannendes Thema!

Werner:

Du hast mich jetzt ein bisschen angefixt mit Deinen R. roeselii-Larven. :-D Wie sehen denn die österreichischen aus?
Und am Vergleichsmaterial soll es nicht scheitern. Da kann ich für unseren Raum gerne und reichlich zur Verfügung stellen (wobei ja das Buch explizit die Schweizer Arten erklärt, und das super!).


Beste Grüße & eine schöne Adventszeit

Angela

Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Angela
Hier einige Beispiele zur Relation von Halsschild- zu Kopflänge. Das Merkmal ist im Feld nicht gut anwendbar, aber mit guten Bildern in Seiten- oder Rückenansicht lässt sich das Merkmal zuhause gut studieren.
Bilder (vlnr): Stenobothrus nigromaculatus (2x), Stenobothrus lineatus
Fazit: Halsschild im Verhältnis zum Kopf bei St. lineatus länger (1.4 : 1) als bei St. nigromaculatus (1:1 bis 1.2 :1)

Mit herzlichen Grüssen

Dieter
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Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo!

@Angela: nein, keine Angst - so schlimm ist es nicht. Auf die Schnelle finde ich keine Beispiele, wenn, dann werde ich hier Bilder bzw. Links einstellen von "anders aussehenden" Tieren (vielleicht hab ich das auch nur so in Erinnerung aus meinen Anfangszeiten)
@Dieter: klasse, danke für diese Gegenüberstellung und Erklärung!

LG

Werner
LG

Werner

Re: Stenobothrus-Arten

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Lieben Dank, Dieter, das hilft mir schon gut weiter. S. lineatus wirkt dadurch etwas feister und stiernackig. Die müssten alle in etwa im gleichen Stadium sein?
Nach (halber) Durchsicht meiner Fotos dürften dann (fast?) alle S. lineatus-Tiere sein. Bei dreien bin ich unsicher und würde sie gern zur Diskussion stellen, s. A.
Was mir auffiel: Bei Deinen S. nigromaculatus-Larven wirkt der weiße Anteil der dorsalen Flügelanlagen wesentlich schmaler als bei allen meinen fotografierten (wahrscheinlich S. lineatus-)Tieren. Ein grds. Merkmal? Es kann aber auch nur so wirken, weil Du sie sehr gut auf Augenhöhe seitlich fotografiert hast und der Weiß-Anteil dadurch geschmälert ist. Leider lag mein Augenmerk auf anderen Merkmalen als ich sie fotografierte, sie sind selten perfekt von der Seite. Hättest Du noch von oben ein paar Tiere?

Werner, ja, dann warten wir auf die Hüpfer, die da kommen.:)

Beste Grüße
Angela
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Re: Stenobothrus-Arten

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Hallo Angela

schon speziell, all die Nymphen von Stenobothrus lineatus mit dieser für mich fremden Zeichnung der Halschildseitenplatten zu sehen!
Ja, es sind alles Nymphen von St. lineatus im zweitletzten Stadium (beachte relative Länge der Flügelanlagen: äussere Hinterflügelanlagen überragen Vorderflügelanlagen, siehe S. 16 in meinem Buch; Anhang! ). Wenn du mit einem Massstab oder mit zwei Fingern die Länge des Halsschildes festhälst und anschliessend die Länge auf den Kopf überträgst, siehst du, dass der Halsschild deutlich länger ist als der Kopf.
Auf meinen Bildern waren alle Nymphen im letzten Stadium zu sehen (Länge der Flügelanlagen). Möglicherweise steht der geringere weisse Anteil der Flügelanlagen bei St. nigromaculatus im Zusammenhang mit den schmaleren Flügelanlagen bei dieser Art.
Leider habe ich erst vor kurzem damit begonnen Aufnahmen von Rückenansichten zu machen. Im Anhang siehst du ein Bild vom vorletzten Stadium des Heidegrashüpfers mit der typischen Ausbildung der Flügelanlagen (Altersbestimmung) und dem charakteristischen Verhältnis von Halsschild- zu Kopflänge.

Mit besten Grüssen
Dieter

Ps Leider funktioniert das Anhängen der Datei (143 KB) nicht - vielleicht später!